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Nun geht’s ab in den Unruhestand!

Ende Mai 2022 geht Martina Schneider nicht in den Ruhestand, sondern zurück auf die Alp

Ende Mai 2022 geht Martina Schneider nicht in den Ruhestand, sondern zurück auf die Alp

Martina Schneider

Sie war 20 Jahre Biokontrolleurin. Ende Mai 2022 geht Martina Schneider nicht in den Ruhestand, sondern zurück auf die Alp. Ein Gespräch über Selbstreflektion und die Rolle der Frauen in der Landwirtschaft. 

Martina, du warst 20 Jahre Biokontrolleurin. Ich habe mir sagen lassen, dass du in dieser Zeit rund 2300 Kontrollen durchgeführt hast. Sei ehrlich – du hast die Schnauze voll?
Naja, so würde ich das nicht ausdrücken. Wie alles hat auch diese Entscheidung zwei Seiten. Ich weiss, dass mir der Kontakt mit den Betrieben und den Menschen, die sie bewirtschaften, fehlen wird. Das war es, dass mich immer fasziniert hat. Auf der anderen Seite freue ich mich einfach auf etwas Neues! 

Nun, ich habe ja auch noch kein Kind mit dem Traumberuf «Biokontrolleurin» gesehen. Zudem hast du eine Ausbildung aus Fachfrau Gesundheit in einer Psychiatrie absolviert. Wie kommts? Nach meiner Lehre war ich einige Sommer auf der Alp. Da hat mich der Virus Landwirtschaft gepackt. Anschliessend habe ich eine Zweitlehre als Landwirtin absolviert und ein Jahr im Jura auf einem Betrieb gearbeitet, bevor ich einen eigenen kleinen Hof übernehmen konnte.

Aufgrund der kleinen Betriebsstruktur suchte ich einen Nebenerwerb, der neben Hof und Familie praktikabel war. Als Frau in der Landwirtschaft – und ohne Studium – war die Suche eine doppelte Herausforderung. Der Job als Biokontrolleurin war somit sehr geeignet. Die Kontrollen sind flexibel einteilbar – ideal! Nach der Geburt der ersten Tochter habe ich dann mit den Kontrollen begonnen. 

Du hast vor 20 Jahren als eine der wenigen Frauen in einer Männerdomäne mit Biokontrollen begonnen. Wie schlägt man sich da durch?
Mein Eintritt in die Land- bzw. Alpwirtschaft hat ja bereits früher stattgefunden, von daher war ich mir die Umgebung gewohnt. Ich ging sehr unüberlegt hinein und habe einfach gemacht. Einen gewissen Gegenwind habe ich aber schon wahrgenommen.

Inwiefern hast du den Gegenwind wahrgenommen?
Das waren verschiedene Situationen. Wenn ich mich bei der Biokontrolle vorgestellt habe, erzählte ich immer, dass ich selbst einen kleinen Betrieb bewirtschafte. Oft kam dann die Gegenfrage, wer dann die Maschinen auf dem Betrieb bediene. Oder manchmal fragten die Betriebsleiter nach dem telefonischen Ankünden der Kontrolle, wie dann der Kontrolleur heisse, der vorbeikommt. Sie meinten, ich sei die Sekretärin.

Es gab aber auch schöne Reaktionen und immer wieder Betriebe, die sich freuten, als endlich eine Frau auf die Kontrolle kam.

In den letzten Jahren hat sich dieser Gegenwind aber praktisch vollständig gelegt. Wohl auch, weil wir nun mehr Frauen im Team – und grundsätzlich mehr Frauen in der Landwirtschaft sind. Das hat entlastet. 

Viele Betriebe sagen mir, dass die Kontrollen früher im Vergleich unangenehmer waren. Heute begegne man sich auf Augenhöhe und Beanstandungen werden gemeinsam im Bioregelwerk abgeklärt. Da hat sich viel verändert! Hat das auch mit dem aufkommenden Einfluss der Frauen im Kontrollwesen zu tun? 
Das hat wohl am meisten mit der Professionalisierung des Kontrollwesens zu tun. Im Gegensatz zu früher werden die KontrolleurInnen auch in sozialen Themen geschult. Weiter haben sich auch die Betriebe weiterentwickelt – immer mehr Betriebe werden von Frauen geleitet, das schafft wiederum andere Ausganglagen. Ich glaube der springende Punkt ist, dass ich das Gegenüber – egal welchen Geschlechts – immer ernst genommen habe. Aus meiner Sicht ist das das Wichtigste. 

Deine Arbeitgeberin bio.inspecta setzt seit jeher auf Innovation. Die Kontroll-Dossiers beispielsweise werden seit 2014 nur noch digital geführt. Wie haben sich die Landwirtschaftsbetriebe in dieser Zeit verändert?
Die Betriebe wurden definitiv auch innovativer. Mit Tools wie Barto digitalisieren viele Betriebe ihre Daten, die in den letzten Jahren sicherlich auch eher mehr wurden. Junge Generationen gehen oft andere Wege und setzen sich vermehrt mit alternativen Anbaumethoden und Vermarktungswegen auseinander. Sie suchen den Kontakt mit den Konsumentinnen, was ich toll finde. 

Im Frühsommer geht’s zurück auf die Alp. Rückblickend scheinst du viel Positives aus der anspruchsvollen Tätigkeit als Biokontrolleurin mitzunehmen.
Ja klar! Die Herausforderung, als neutrale Person auf dem Betrieb eine Kontrolle durchzuführen, war nicht immer einfach. Unter dem Strich überwiegen die schönen Erlebnisse aber klar! Ich empfand die Kontrolle immer sehr bereichernd und lehrreich. Rückblickend möchte ich dafür allen Bäuerinnen und Bauern für ihre Offenheit und ihr Vertrauen danken.